Liebe Männer: Ab zum TÜV!
Männern geht es so wie ihren Autos, sagt Dr. Christop Pies, Urologe und Buchautor. Sie brauchen Kraftstoff und sollten ab und zu in die Wekstatt – also zu einem Arzt. In seinem neuen Ratgeber „Männer-TÜV“ ruft er seine Geschlechtsgenossen dazu auf, die eigene Gesundheit ernster zu nehmen.
Herr Dr. Pies, stimmt es, dass Männer seltener zur Vorsorge gehen als Frauen?
Leider ja. Die Teilnahmequote an der Krebsfrüherkennung ist in Deutschland erschreckend niedrig. Nur jeder fünfte Mann nimmt diese Möglichkeit wahr. Bei Frauen liegt die Quote hingegen bei über 40 Prozent. Viele Männer kommen erst dann zu mir, wenn ein Freund oder Verwandter erkrankt ist oder die Ehefrau ihn schickt.
Was hält Männer denn davon ab, Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen?
Drei von vier Männern haben zwar laut Befragungen ausgeprägte Krankheitsängste, lassen aber dennoch die angebotenen Untersuchungen aus Angst vor einer schlimmen Diagnose und den daraus folgenden Konsequenzen nicht durchführen. Krankheit bedeutet schließlich Schwäche und das passt nicht in das Rollenverständnis eines starken Mannes. Und so entwickelt er Vermeidungsstrategien: Auf der Arztbesuch-Ausredenliste findet sich Zeitmangel auf Platz eins, gefolgt von eben dieser Angst vor einer schlechten Diagnose und dem Respekt vor der Prostatauntersuchung mit dem Finger.
Dann ist an der Aussage, dass Männer Reparaturmedizin, Frauen hingegen Vorsorgemedizin betreiben, durchaus etwas dran?
Ja, es ist eine Art Vogel-Strauss-Taktik, die der Mann da an den Tag legt: Kopf in den Sand stecken und nichts sehen und hören wollen. Erst wenn etwas kaputt ist, lässt man es reparieren. Wir sehen immer wieder Männer, die sich teilweise über Jahre mit massiven Beschwerden herumschleppen, bevor sie dann als Notfall vorstellig werden.
Welche Vorsorgeuntersuchungen betrachten Sie für den Mann als sinnvoll?
Ich habe meinem Buch ein Checkheft beigefügt, aus dem hervorgeht, wann er sich um welche Organe kümmern sollte. Aktuell stehen dem Mann die folgenden Untersuchungen gesetzlich zu: Ab 35 erfolgt alle drei Jahre ein Gesundheits-Check-up beim Hausarzt, ebenso ein Hautkrebs-Screening alle zwei Jahre. Mit 45 wird eine körperliche Untersuchung mit Abtasten von Leistenregion, Penis, Hoden und Prostata jährlich empfohlen. Ab 50 beginnt dann die Darmkrebsvorsorge, die wahlweise einen jährlichen Test auf verstecktes Blut im Stuhl oder zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren beinhaltet. Ab 60 sollte man die Grippeschutzimpfung nicht vergessen und mit 65 wird im Ultraschall nach Erweiterungen der Bauchschlagader gesucht. Darüber hinaus gibt es auch Zusatzuntersuchungen wie beispielsweise den Prostatakrebstest PSA, die im Einzelfall auch Sinn machen.
Welche Frühwarnsysteme hat der Körper eigentlich?
Der Körper sendet ständig Signale, offenbar hören wir Männer sie aber leider nicht früh genug. Ein klassisches Beispiel ist das Burn-out-Syndrom. Ziel der Vorsorge sollte es aber sein, Krankheiten zu erkennen, bevor sie Symptome machen, weil dann die Heilungschancen wesentlich höher sind. Beste Beispiele sind hier Darm- und Prostatakrebs.
In Ihrem ersten Buch “Was passiert beim Urologen?” schreiben Sie: Der Penis ist die Antenne des Herzens“. Was genau ist damit gemeint?
Eine Potenzstörung kann ein erster wichtiger Hinweis auf die Entwicklung von Durchblutungsstörungen sein, woraus sich dann auf Gefäßschäden an anderen Organen wie Herz oder Gehirn schließen lässt. Die Erektionsstörung geht mit ihren Symptomen beispielsweise einem Herzinfarkt oder Schlaganfall im Mittel zwei bis drei Jahre voraus.
Mit welchen gesundheitlichen Leiden hat Mann im Alter zwischen 40 und 60 denn zu kämpfen?
Viele Männer beklagen ein anfälligeres Herz-Kreislauf-System, beginnende Gedächtnisstörungen und orthopädischen Verschleiß. Die Krebswahrscheinlichkeit steigt ebenso wie die Anfälligkeit für Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes. Das Immunsystem und schützende Stresshormone sowie der Testosteronspiegel werden langsam zurückgefahren. Hier stelle ich gerne einen Vergleich zum Auto her: Wenn ein PKW zwischen acht und zehn Jahre alt ist, kommen die kritischen Jahre, in denen sich entscheidet, ob das Auto mal ein Oldtimer wird. Diese Phase, in der entscheidende Weichen fürs Alter gestellt werden, ist beim Mann die Zeit zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.
In Ihrem Gesundheitsratgeber bewegen Sie sich sprachlich in der Automobilen Begriffswelt …
Das stimmt. Ich schreibe über den Verkehr als Äquivalent zu Sex, über Stau (Durchblutungsstörungen), Werkstattbesuche (Arzttermine), Schmierstoffe (Hormone) und Kraftstoffe (Ernährung). Durch Analogien und Wortspiele versuche ich, den Aufbau und die Funktion der Organe spielerisch zu vermitteln. Und so auch Männer, die sich sonst nicht allzu sehr für ihre Gesundheit interessieren, zum Umdenken zu bewegen.
Haben Sie einen Rat, wie verzweifelte Ehefrauen ihre Männer zur Vorsorge bekommen?
Manchmal hilft es schon, darauf hinzuweisen, dass Männer wegen ihrer Nachlässigkeit im Durchschnitt sechs bis sieben Jahre kürzer leben als Frauen. Ehefrauen können ihre Männer aber auch bei ihrem Familiensinn packen und an das Verantwortungsbewußtsein appellieren. Schließlich soll der Mann seiner Familie ja möglichst lange als Ehemann und Vater erhalten bleiben. Vier von fünf Männern lassen sich mit dieser Bitte überzeugen. Daher gibt es im Buch am Ende auch die Männer-TÜV-Plakette.
Haben Sie einen abschließenden Appell an alle Männer?
Typ, übernimm Verantwortung! (TÜV)